BerlinOnline
Meldung vom: 26.09.1996

"Vorsicht Baustelle - hier entsteht Peters Homepage"

Jetzt bietet auch T-Online die eigene Präsenz im Internet an - Spaß an der Technik und Selbstdarstellung im Vordergrund

Von AP-Korrespondent Peter Zschunke

Frankfurt/M (AP) Wer in der Internet-Gemeinde etwas darstellen will, muß inzwischen neben der E-Mail-Adresse eine eigene Homepage vorweisen. Nach CompuServe und AOL-Bertelsmann bietet jetzt auch T-Online als größter Online-Dienst in Deut schland seinen Kunden die Möglichkeit an, sich im World Wide Web (WWW) zu präsentieren. Innerhalb der ersten drei Wochen machten bereits mehr als 4.000 T-Online-Kunden davon Gebrauch.

"Vorsicht Baustelle - Betreten erwünscht", heißt es auf der Eingangsseite von Peter K. aus der Nähe von Karlsruhe. "Hier entsteht Stück für Stück in mühseliger Heimarbeit Peters Homepage." Er hat so gar einen sogenannten Counter eingebaut, der jeden Zugriff auf seine Web-Seiten zählt: "You are visitor number 148", lautete kürzlich der aktuelle Stand. Der Bankangestellte verrät der Welt zwar nicht seine geheimsten Wünsche , aber vielleicht doch etwas mehr, als er jedem x-beliebigen Passanten auf der Straße anvertrauen würde: Peter K. interessiert sich für "Lesen (SF/Fantasy) und Computerspiele" und ißt "am liebsten chinesisch und italie nisch". Aus dem Familienalbum hat er ein Bild ausgesucht und auf der Homepage veröffentlicht: "So sah Peter früher aus."

Alle privaten Homepages wie diese verraten vor allem zweierlei: Spaß am Umgang mit der neuen Technik und einen manchmal unbändigen Mitteilungsdrang. Das Internet ist eine Bühne für persönliche Offenheit geworden, die an anderen gesellschaftlichen Orten abhanden gekommen ist. Mehr oder weniger direkt wird auch zugegeben, daß es nicht zuletzt ums Prestige geht. "Da es mittlerweilen zum 'guten Ton' gehört, mit einer eigenen Seite im Internet vertreten zu sein, m&oum l;chte ich die Chance nutzen, mich und meine Interessen auf diesem Wege vorzustellen", schreibt der Hamburger Student und Shareware-Autor Frank H.

Die Online-Dienste verteilen Programme, mit denen das Erstellen einer Web-Seite zum Kinderspiel wird. Anstatt die kryptischen Befehle der Programmiersprache HTML (Hypertext Markup Language) einzutippen, kann der Anwender aus vorgefertigten Vorlagen w&aum l;hlen und diese einfach umschreiben. Im Netz oder auf CD-ROM gibt es zudem eine Vielzahl von weiteren Hilfsprogrammen, mit denen Web-Seiten immer raffinierter gestaltet werden können. Das fängt an mit der Einbindung von Audio-Dateien - "I say: Welcome to my homepage" - und endet mit bewegten Animationen oder kleinen Anwendungen in der Internet-Programmiersprache Java.

Zwtl: Nur in der Antarktis noch kein digitales Heim bezogen

Allein aus den Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden schon viele Tausende von persönlichen Homepages ins Netz gestellt. Fast unmerklich mausert sich die deutsche Sprache nach Englisch zu einem zweiten Internet-Standard. Nur wenige Anwe nder wie der Fotograf Thorsten Mann suchen mit einer englischen Präsentation in der CompuServe-Welt gezielt auch den weltweiten Austausch.

Die Selbstdarstellung steht im Vordergrund, wobei die Flut der Angebote - etwa über die Suchmaschine Web.de - nach Wohnorten oder alphabetisch nach dem Namen der Autoren sortiert werden kann. Bei CompuServe können die elektronischen Heime von e iner Weltkarte aus aufgesucht werden, indem die gewünschten Kontinente und Länder angeklickt werden - nur auf der Antarktis ist bisher noch kein digitales Heim bezogen worden.

Mitunter enthalten Homepages wertvolle Informationen über exotische Hobbys wie das Bumerang-Werfen oder die Fohlenaufzucht. Auch kleine Parteien oder Organisationen nutzen die neue Möglichkeiten zur Werbung, wobei Online-Dienste wie CompuServe die Seiten von Juristen auf ihre rechtliche Unbedenklichkeit prüfen lassen. Gesperrt wurde kürzlich die CompuServe-Homepage der stellvertretenden PDS-Vorsitzenden Angela Marquardt, die einen Link zur verbotenenen Zeitschrift "radikal" enthielt.

Die kommerzielle Nutzung aber steht erst am Anfang und beschränkt sich im wesentlichen auf die Angebote von Übersetzern oder Immobilienmaklern. T-Online möchte auch Geschäftskunden die Gestaltung einer Homepage schmackhaft machen. &qu ot;Mit einem Speicherplatz von einem Megabyte pro Teilnehmer läßt sich zwar kein riesiger Online-Supermarkt aufbauen", erklärt T-Online-Chef Eric Danke. "Aber für ein kleines Online-Geschäft reicht das allemal."

AP/pz/cae

© Berliner Zeitung 27.09.1996


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Henrik Pantle
Erstellt am 30.März 1996, zuletzt geändert am 14. Januar 1997.